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Situation

Das sanft geneigte Grundstück für die neue Schweizer Botschaft in Nairobi wird von seiner Lage ausserhalb des Stadtzentrums in der üppigen, subtropischen Vegetation geprägt. Der landschaftliche Charakter in der Überlagerung mit dem Programm einer Botschaft, das nach differenzierten Publikumsverkehrströmen und zugehörigen Aussenräumen verlangt, generiert die Setzung des neuen Gebäudes: Orthogonal zur Hangneigung wird ein längsrechteckiger Baukörper so an die südliche, höher gelegene Parzellengrenze gesetzt, dass zusammen mit der gemauerten Umfriedung des Grundstücks das Gelände in zwei separierte Aussenräume zerlegt wird: Im Südosten wird ein Rechteck für die Besucherparkplätze Visa/und Kanzlei ausgespart, der ganze südwestliche und nördliche Bereich wird zu einem grossen Garten zusammengefasst, über den die neue Botschaft für die Mitarbeiter und repräsentative Besucher erschlossen wird. Die zwei Zugänge auf das Grundstück und die drei Eingänge ins Haus verspannen in der Folge die gesamte Parzelle diagonal von Nordwesten nach Südosten. Der dreigeschossige Baukörper erlaubt die Minimierung des gebauten Fussabdrucks - unter kontextuell angemessener Höhenentwicklung - und funktioniert als Scharnier, als Relais zwischen den zwei Aussenräumen, indem er die Erschliessungsströme innenräumlich logisch zusammenbringt.

 

Landschaft – African Arcadia

Die Stimmung der neuen Anlage ist vom Bild des Gartens - Arcadia - bestimmt: Über die neu präzisierte Heckenschicht extra muros tritt man im Nordwesten durch die Umfriedung aus Nairobi Bluestone in eine subtropische Pflanzeninsel ein. Der Charakter der Vegetation, die in der Umgebung herrscht, ist darin aufgegriffen und als hortus conclusus zu einem opulenten, üppigen Garten verdichtet. Es ist ein Eintauchen in eine Vielgestaltigkeit aus unterschiedlichen Blatttexturen und Blütenformen, eine Farben- und Blütenpracht, die aus der genuinen Bepflanzung des Ortes neu zusammengestellt wird: Die zwei bestehenden Silk Floss Trees bilden den Auftakt, eine Art Torsituation zum Haupteingang. Cedar Trees, Avocado Trees, Cactus Trees und Palmtrees werden zusammen mit niederflorigen lokalen Pflanzen zu organischen, farbenprächtigen Inseln komponiert. Der dazwischen aufgespannte Leerraum bildet die befestigten Wege der Anlage für die Verkehrserschliessung (Autounterstand im nördlichen Mauerabschluss integriert) als auch für die kleinmasstäblicheren Fusswege, welche die gesamte Anlage mit ihren verschiedenen Nischen erfahrbar machen. Insgesamt ist die dichte Atmosphäre des Gartens und die Vielzahl der verschatteten Orte ideal für einen aussenräumlichen Rückzugs- und Aufenthaltsraum.

Aus dieser üppigen, archaischen Vegetation ragt das neue Botschaftsgebäude als scharf geschnittener, orthogonaler Block heraus: Die organischen Naturformen und das Abstrakte, Blockhafte des geometrisch gegliederten Baukörpers steigern sich als kontrastierendes Prinzip dabei gegenseitig.

 

Architektur - Swiss Made

Klima und Kontext als Entwurfsfaktoren

 

Swissness:

Eine Botschaft soll ikonografisch als Medium für eine nationale Identitätskonstruktion in einem fremden Staat funktionieren. Die Grammatik des neuen Gebäudes fusst auf den Konnotationen, die mit „Schweizerischem Bauen“ einher gehen: Unterschwelligkeit, Zusammenspiel von Konstruktion und Raum, Glaubwürdigkeit, Stabilität und Solidität, Geordnetheit, Qualität in der Herstellung, Präzision im Detail, Ingeniosität kombiniert mit Handwerklichkeit, Bauen im Kontext. Kurz: Starke, kräftige Strukturen, die mit lokalem Baumaterial konstruktiv geschickt neu interpretiert werden.

 

Tropical: House in House Construction

Die eigentlichen Nutzräume werden ins Innere des Volumens verschoben. Die äussere, vertikale Schicht funktioniert als baulicher Sonnenschutz, der die Sonne im Winter abhält und im Winter einlässt. Die Schichttiefe ist auf die Orientierung (Ost-West) angepasst: die mit Nairobi Bluestone ummauerten Betonpfeiler weisen die stattliche Tiefe von 1.8m auf, ein aussen angeschlagenes Gitterwerk aus vollen und hohlen Backsteinen verschattet den 3-geschossigen Luftraum. Die Ausformulierung der „Grigli“ (des Vorhangs) in Bezug auf Feinmaschigkeit, Geometrie, Höhenlage etc. ist im Planungsprozess vor Ort zu entwickeln und zu präzisieren.

Die vertikalen Luftschichten gehen im Bereich des Daches in eine horizontale Querlüftungsschicht über: Die Sun-Roof Konstruktion trägt Solarpaneele, organisiert den Wasserabfluss, und sorgt für eine Kühlung des Gebäudes von oben, indem sie eine komplette Verschattung leistet.

 

Diese äusseren, raumhaltigen Schichten bestimmen den architektonischen, plastischen und gegliederten Ausdruck des Gebäudes. Sie stehen dabei durchaus in der Tradition des spätmodernen, architektonischen Erbes von Nairobi: Starke, kräftige Strukturen, die in klimatischer Bewusstheit entwickelt wurden und Belichtung/Verschattung, Wärme und Feuchtigkeit mit passiven Massnahmen – also ohne Klimaanlage, dafür mittels geschickter Raumorganisation und Konstruktion - zu kontrollieren suchen.

 

Innere Organisation

Die innere Organisation ist ein Abbild der verschiedenen Botschaftsbereiche: Im Erdgeschoss befindet sich der Konsularische Bereich mit direktem Zugang für die Visa/Kanzleibesucher, sowie der repräsentative Eingang mit Empfang. Im 1. Obergeschoss ist der Diplomatische Bereich untergebracht, die internen öffentlichen Räume befinden sich zusammen mit der Missionsleitung im 2. OG. Alle Büroräume sind zum Garten im Westen hin ausgerichtet, die Erschliessungsschicht wird zur informellen Kommunikationszone mit Aufenthaltsqualitäten; sie ist von mehrgeschossigen Lufträumen und einer diaphanen Lichtstimmung geprägt. Die Büroräume sind einfach und zweckdienlich geschnitten, ihre Einteilung bleibt durch das gewählte statische System flexibel.

 

Konstruktion

Tragwerk: 30-36cm dicke Beton-Flachdecken werden durch Betonkern,einzelne Stützscheiben in der Mittelachse und Fassadenstützen getragen. Die mit Nairobi Bluestone ummauerten Betonpfeiler und der quer dazu stehende Treppenkern tragen die Horizontalkräfte ab.

Bris soleil, Claustra: Hohle und volle hexagonale Backsteine, ganz und halbiert, werden mit Zementmörtel vor Ort zugfest vermauert und bilden so das Bris soleil, die tönerne Claustra. Der Untergurt ist mit einer mittig liegenden Zugstange leicht vorgespannt. Die Elemente werden seitlich an den Betonpfeilern aufgehängt.

SunRoof: Das Dach wird mit leichten Betonelementen (die Solarpaneele tragen) verschattet. Diese Betonelemente führen das Wasser in die U-förmig ausgebildeten Unterzüge, wo das Wasser zu den Abflussrohren in den Fassadenstützen fliesst. Zwischen Sun-Roof und Dach entsteht ein Querlüftungsraum, der zur Kühlung dient.

 

 

 

Schweizer Botschaft Nairobi

Wettbewerb 4. Preis

Kenia 2011

 

Architekten:

Aita Flury, Roger Boltshauser

 

Ingenieure:

Walt + Galmarini AG

 

Landschaftsarchitekten:

Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH

 

Publikation: 

hochparterre wettbewerbe 1, Februar 2012


GrigliNairobiAitaFlury

 

Grigli-Gitterwerke: Nairobis Erbe der Spätmoderne