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Städtebau

Die neue Festhütte wird von der Strassenflucht so weit zurückversetzt, dass ein grosszügiger Vorplatz zur Stadt hin entsteht. Die Empfangsfront öffnet sich als Ankunftsgeste zum Platz und steht in adäquatem Abstand zu einem allfälligen Kreisel. Die Ausbildung der Gebäudeabwicklung reagiert auf die unterschiedlichen räumlichen Situationen . Wie ein Flickzapfen oder 'Stöpsel' besetzt das neue Gebäude das Gebiet auf der Hangkante und thront am oberen Rand des Parkgrüns. Das Gebäude verschleift sich mit dem Terrain; die vorgefundene Geländetopographie bestimmt die Gebäudegeometrie; durch die Überschiebung des Gebäudevolumens zum benachbarten Feuerwehrdepot entsteht ein platzartiger Zwischenraum, der als letzter Teil der Abfolge Gemeindehausvorplatz und Festhüttenvorplatz zu verstehen ist. Das Grün des Parks fliesst unangetastet den Hang hinunter. Als Parkierung werden eine Tiefgarage unter der Festhütte und ein offenes Parkplatzfeld anstelle der alten Scheune vorgesehen.

 

Schützendes Dach

Der Entwurf für die neue Festhütte entwickelt seine Kraft aus der Idee ein gemeinschaftliches, schützendes Dach zu bauen. Das Haus sucht eine starke, strukturelle und zugleich unaufgeregte Präsenz. Das Dach ist das Symbol für Geborgenheit: es ist eine Art Schirm unter dessen Schutz Gemeinschaft und Begegnung stattfinden können. Aus der Entfernung bildet das Dach einen wesentlichen Teil des Gebäudes. Wenn man die Festhütte sieht, dann sieht man das Dach. Das ist die prägnanteste Eigenschaft eines starken,

schützenden Daches. Das Dach wird in der ganzen Festhütte empfunden; es spielt eine zentrale Rolle für die Lichtfüh-

rung, es umgibt die Besucher. Es tritt ihnen in den zwei Geschossen und in Foyer und Saal unterschiedlich entgegen. Im Foyer sind die mächtigen Trägeruntersichten bündiger Teil der Decke. Die Träger selber treten nach aussen und ihre Silhouette wird zum charakteristischen Merkmal der Eingangsfassade. Das weit ausladende Vordach über der ganzen Eingangsfassade schafft die Überschneidung des Territoriums zwischen aussen und innen. Es ist die Empfangsgeste. Durch seine Weite strahlt es Grosszügigkeit und vor allem Festlichkeit aus. Das statische Konzept der auskragen-

den, hohen Träger ermöglicht das Foyer als eine gläserne Veranda unter dem Vordach zu verstehen; es ist das Fenster zur Stadt wo sich tagsüber im Glas der grosse Baum und das vorbeifahrende Leben spiegelt; abends wird es zum Leuchtkasten der Veranstaltung.

Im Saal werden die Träger nach innen körperlich und plastisch. Die Decke liegt auf den Trägern auf. Die geschosshohen Träger, die zweiseitigen Oblichtfenster und die wenigen, kräftigen statischen Elemente ermöglichen Raumstimmungen, die zwischen Festlichkeit, Eleganz

und Sportlichkeit oszillieren. Auf der Galerie ist das Dach plötzlich sehr nah; dort werden die riesigen Trägerdimensionen

haptisch.

 

Fassade

Das kupferne Dach mit seiner 'Hutkrempe' bildet eine Art Aufhängevorrichtung für die darunter hinabwallende Fassade. Diese besteht aus einer Plus - Minus Holzschalungsverkleidung, welche durch ihre reliefartige Struktur wie ein Schleier oder ein Vorhang das ganze Gebäude umhüllt. Dieses 'unendliche', textile Band schafft gleichzeitig den Übergang zur Festlichkeit des Innenraums; innere und äussere Vorhangsschichten überlagern sich in den Fensteröffnungen.

 

Statisches Konzept

Dach: Zweifeldträger

Die Dachkonstruktion besteht aus sieben Bindern. Jeder dieser Binder überspannt Saal und Foyer, wirkt also statisch als Zweifeldträger. Zweifeldträger sind gegenüber Einfeldträger wirtschaftlicher, weil die Dachlast über dem Foyer ein „Gegengewicht“ zur Öffnung über dem Saal bildet und dadurch die Biegemomente und den Materialverbrauch wesentlich verringert.

 

Entsprechende Stützenformen

Die Auflagerreaktionen fallen sehr unterschiedlich aus. Entsprechend sind die Stützen verschieden geformt. Die grössten Kräfte entstehen bei den Pfeilern zwischen Foyer und Saal. Diese Pfeiler sind kräftig ausgebildete Hohlkasten (der Hohlraum dient auch zur Aufnahme von Leitungen). Sie stabilisieren das Dach auch in Nord-Süd-Richtung gegen Wind- und Erdbebenkräfte (die Ost-West-Richtung wird über die Seitenwände der Bühne gehalten). Entlang der Südfassade stehen Pendelstützen mit einfachem Rechteckquerschnitt und die geringen Kräfte in der Foyerfassade werden durch schlanke Stahlprofile aufgenommen, die sich in die Fensterkonstruktion integrieren lassen, nicht auffallen und somit die architektonisch gewünschte Transparenz zwischen Vorplatz und Foyer unterstützen.

 

Begehbare Träger

Die Dachbinder sind Fachwerkträger mit hölzernen Gurten und Stahlfüllungen. Sie sind über ihre ganze Länge innen begehbar. Im Innern der Träger werden Lüftungs- und Elektroleitungen untergebracht. Über dem Saal sind die Träger seitlich mit Sperrholzelementen verkleidet. Diese Elemente dienen einmal der Raumakustik, zudem können sie vom Trägerinnern aus aufgeklappt und geöffnet werden. Einrichtungen wie Bühnenbeleuchtung, Saaldekorationen usw. werden auf einfachste Weise mit Rohren und Klemmen an den Stahldiagonalen befestigt. Die Kupferverkleidung der Stirnseite der Träger ist als Servicetüre ausgebildet, sodass Einzelteile wie Scheinwerfer direkt vom Vorplatz aus hochgehievt werden können. Der „normale“ Zugang in die Träger erfolgt hingegen über die Galerie.

 

Weitere Bauteile

Die übrigen tragenden Bauteile bestehen aus konventionellen Ortbetonkonstruktionen. Galerie und Parkhausdecke sind fugenlose Flachdecken. Der Stützenraster des Parkhauses ist so auf die darüberliegende Konstruktion abgestimmt, dass sich obere und untere Stützenflächen überlappen, sodass die Decke trotz geringer Exzentrizitäten keine Abfangkräfte übertragen muss. Insgesamt ist das Gebäude relativ leicht, sodass übliche Flachfundationen genügen. Im Parkhausbereich kann auf eine Bodenplatte verzichtet werden (stattdessen Kieskoffer und Asphaltbelag). Die Baugrube ist wenig tief, beeinflusst die angrenzenden Gebäude nicht und kann im Prinzip ohne spezielle Böschungssicherungen ausgeführt werden (je nach den Anforderungen an die Zufahrten der umliegenden Bauten sind an einzelnen Stellen allenfalls einfache Nagelwände erforderlich).

Festhütte Amriswil

Wettbewerb 2004

 

Architektinnen:

Aita Flury, Silvia Kopp

 

Ingenieure:

Conzett Bronzini Gartmann AG