Ausgangslage
Der Wettbewerbsperimeter für die neue Kita im Chärn befindet sich im Ortskern von Mörschwil, im Süden der Bäckerei Füger und des Restaurant Ochsen und südwestlich von der Kirche. Gemäss Aufgabenstellung soll die Erschliessung des Grundstücks Nr.963 vom Kirchenvorplatz her über das Privatgrundstück Nr.669 erfolgen. Mit der gleichzeitig möglichen Neuorganisation dieses Privatgrundstücks sollen Synergien mit der Kita (Anlieferung, Kurzzeitparking, Mitbenutzung Spielplatz) geschaffen werden und ein insgesamt sinnfälliges Layout auf beiden Grundstücken soll einen räumlichen Mehrwert für den Dorfkern bringen. Im Osten grenzt der Wettbewerbsperimeter an den gestalteten Aussenraum des Friedhofs sowie an den südlich daran anschliessenden unbebauten Wiesenhang, der sich bis zum tiefer gelegenen Häftlibach hin ausdehnt. Gefasst wird dieser grosszügige Freiraum vom stark raumbildenden Waldsaum, der den Bach begleitet.
Insgesamt ist der Kontext des Wettbewerbsperimeters auf drei Seiten geprägt von den traditionellen Punktbauten (in ihrer Stellung zur Strasse und ihrer Dachform) des Dorfkerns und profitiert auf der vierten Seite von einem grandiosen Ausblick in einen teilweise terrassierten (Friedhofsanlage) Aussenraum und grösstenteils topografischen Landschaftsraum. Für die optimale Einbindung der neuen Bauten (=Nachhaltigkeit) spielen diese beiden Aspekte sowie ein geschickter Umgang mit der Hanglage eine entscheidende Rolle.
Neue Situation
Ein kompakter, beinahe quadratischer, 3-geschossiger Baukörper wird an die nordwestliche Ecke der Parzelle Nr.963 gesetzt. In dieser Position reiht sich die Punktbaute in die Logik der bestehenden Bebauung entlang der Häftlibachstrasse ein: einzelne Baukörper, die direkt oder leicht von der Strasse abgesetzt, zu dieser parallel und der Topografie folgend gesetzt sind. Damit werden sowohl die Kita als auch das nördlich davon gesetzte neue Nebengebäude auf der Privatparzelle Füger zu selbstverständlichen Bausteinen der Dorfkerntextur. Die Grenze zwischen Bebauung und Freiraum wird damit gestärkt und eine Ausgangslage geschaffen, in welcher sich der neue Kita Aussenraum optisch mit dem angrenzenden Landschaftsraum verzahnt und insgesamt das wunderbare Panorama mit Wiesenhang und Waldsaum des Häftlibachs in Szene gesetzt werden kann. Zudem kann die Baumgruppe am südwestlichen Rand des Friedhofs so erhalten werden.
Der Zugang für die Kita erfolgt weiterhin parallel zur Friedhofsanlage im Osten der Parzelle 669. Für die neue Parkplatz- und Entsorgungsanlage der Firma Füger wurde das effizient möglichste Layout gewählt, sodass der neue Kita Zugang im Vergleich zu heute grosszügiger und sanft geneigt (6%) erfolgt. Die Gestaltung des südlichen Bereichs des Kirchplatzes wird unverändert belassen: Realistischerweise müssen die beiden grossen Linden - damit sie überleben - in dem vom Kirchenvorplatz leicht erhöhten Rasenfeld belassen werden. Die einzige Anpassung im Bereich des Kirchenvorplatzes ist dessen Belagsverlängerung bis hin zum neuen Kitazugang, der in seiner Art und Weise (Tor zwischen Mauerpfeilern) der Logik des angrenzenden Friedhoftors folgt. Die komplette Gestaltung des oberen Perimeter-Bereichs orientiert sich dabei an der Idee der geometrischen, mit Hecken gefassten Terrassierungen, auf welcher das angrenzende Friedhofsgelände aufbaut. Die zusätzlich für die Erschliessung der Kita benötigte Fläche auf der Parzelle Nr. 669 Füger wird im Nordwesten der Parzelle Nr.963 kompensiert, wo im Anschluss an den Privatgarten der Gemüsegarten/Hühnerhaltung in direkter Adhäsion zur neuen Kita nach Süden ausgreift. Der auch für die Gäste der Bäckerei Füger nutzbare Kita-Spielplatz befindet sich im Süden der Kita. Dieser kann via Kirchstrase und Häftlichbach auch im Aussenraum behindertengerecht erreicht werden. Der neue Kita Aussenraum ist klar nach Osten und Süden ausgerichtet: Bereits vom Kirchvorplatz her gut sichtbar kündet das weit nach Osten ausladende Vordach der Kita deren Eingang an. Der lateral dem Friedhofsgelände folgende Zugangsweg endet in Form einer geschwungenen ‚Kanzelsituation’ auf der Eingangskote der neuen Kita und wird räumlich von den beiden grossen Bestandesbäumen im Süden gefasst. Der Blick dreht hier nach rechts zum Haupteingang der Kita, der sich unter dem weit ausladenden Vordach befindet. Gleichzeitig eröffnet sich der Blick hangabwärts in den hintergründigen Landschaftsraum und den Kitaeigenen Aussenraum im Vordergrund. Neben dem Haupteingang befinden sich zwei direkte Zugänge zur EG-Garderobe und zu einem Gruppenraum. Das weit ausladende Vordach, die bewachsene Pergola-Konstruktion (Laube), die haptische Holzfassade als Elemente des Schutzes und die Kombination mit dem Ausblick in die Landschaft machen diesen Ankunftsort zum identitätsstiftenden Herz, Dreh- und Angelpunkt der neuen Anlage.
Das neue Haus: Organisation und Ausdruck
Das neue Kita-Haus ist auf 3 Geschossen kompakt organisiert und zeigt so einen minimalen Fussabdruck. Die beiden oberen Geschoss (EG und 1.OG) sind den Gruppenräumen und ihren Nebennutzungen vorbehalten. Auf jedem Geschoss besetzen jeweils zwei Gruppenräume die gesamte südliche Gebäudebreite und können so zu je einem grossen Raum von 120m2 zusammengeschaltet werden. Ebenfalls der Südfassade entlang befinden sich im 1.UG die beiden Essräume, die gleichwohl zusammenschaltbar sind als auch vom direkten Aussenraumbezug profitieren und von einen gedeckten Aussenraum (Auskragung des darüber liegenden Holzbaus) profitieren. Die Erschliessung aller Grundrisse erfolgt über eine kleine zentrale Halle, die über ein Oberlicht bis ins 1.UG hinunter natürlich belichtet ist.
Das neue Haus zeigt eine städtebauliche Artikulation aller Seiten: Nach Osten prägt das ausladende Giebel-Vordach mit der laubenartigen Eingangssituation den Ausdruck, bildet den Empfangsraum. Die Südfassade besticht durch den gedeckten Aussenraum im 1.UG, die Fassade der oberen beiden Geschosse ist der Sonne gewidmet: Die traditionellen Abwürfe werden hier architektonisch zu leistungsfähigen Solarpaneel-Elementen uminterpretiert und verleihen der Wand zusätzliche Plastizität. Die (zweigeschossige) Nordfassade zeigt sich als mehrheitlich geschlossene Holzfassade in welcher feinräumliche Abwürfe in das Gitter-Füllungsthema integriert sind. Die Westfassade spiegelt die Ostfassade, wirkt aber durch den Wegfall des markanten Vordachs hierarchisch untergeordnet. Insgesamt ist die Durchbildung aller Elemente aus dem Geiste des traditionellen Kontexts mit gleichzeitigem Erneuerungs-Anspruch, Wille zur Transformation und Integration heutiger Aspekte (Solartechnologie) zu verstehen. Das Zusammenführen von baukulturellen Werten mit heutigen energetischen Ansprüchen ist zentral für die Nachhaltigkeit (= Dauerhaftigkeit auf allen Ebenen) eines Gebäudes.
Hitzeminderung und Biodiversität
Möglichst viele Massnahmen zur Hitzeminderung und für das Regenwassermanagement werden etabliert. So werden wasserdurchlässige Beläge ausgewählt: Rasengittersteine beim Parkplatz, Rasen für die Spielbereiche, Chaussierung für die Wege und eine Wildblumenwiese für die restlichen Flächen. Der Projektvorschlag erhält nicht nur die beiden grossen Linden auf dem Kirchvorplatz sondern auch die 2 grossen bestehenden Bäume an der Grenze des Friedhofs. Dazu werden möglichst viele neue Bäume gepflanzt, die dank der Verdunstungskühlung und der Beschattung einen grossen Kühlungseffekt mit sich bringen. Gerade auch der Parkplatzbereich der Firma Füger ist so organisiert, dass ein Baumdach etabliert werden kann. Als Baumarten kommen verschiedene klimaangepasste und einheimische Bäume zum Einsatz: Feldahorn, Zerreiche und Winterlinde, Bäume die viel Lebensraum für unterschiedliche Tierarten aufweisen (hoher Biodiversitätsindex). Die Biodiversität wird weiter gefördert, indem der Aussenraum, der nicht als Aufenthalts- oder Spielfläche genutzt wird, naturnah gestaltet wird. So wird die von Osten herkommende Wildblumenwiese in den Wettbewerbsperimeter hineinverlängert. Als Abgrenzung zur Häftlibach-Strasse im Westen und zur südlichen Nachbarsparzelle wird die Wiese zusätzlich mit einer naturnahen Hecke mit einer grossen Vielfalt an einheimischen und nicht giftigen Pflanzen ergänzt (Weissdorn, Sal-Weide, Hunds-Rose, Felsenbirne).
Haustechnik und Photovoltaik
Die nutzergerechte Infrastruktur wird so versorgt, dass Architektur, Statik und Gebäudetechnik sich gegenseitig und integral ergänzen, substituieren. Material sowie Energie wird mit Sorgfalt eingesetzt um ökonomisch/ökologische Ansprüche zu erfüllen. Eine schlanke Technik steht für energetisch und bauphysikalisch intelligente Lösungen sowie für die Reduktion auf das Notwendige, das Modulare und Repetitive. Zudem wird ein starker Fokus auf die Nutzung und Verwendung lokaler Wertschöpfungsketten im Zusammenhang mit der Materialwahl der TGA Komponenten gelegt. Die eingesetzte Erdsonden-Wärmepumpe stellt erneuerbare, lokale Wärme zur Verfügung und ermöglicht gleichzeitig ein gratis Kühlung im Sommer.
In enger Zusammenarbeit zwischen Architektur und PV-Engineering wird ein maximierter Solarertrag (47’000 kWh/a) und eine selbstverständliche architektonische Integration erreicht. Durch die starke Photovoltaikanlage (48 kWp) werden tiefe Gesamtenergiekosten und eine strategisch wichtige Unabhängigkeit von Strompreissteigerungen erreicht. Die verschiedenen Ausrichtungen der Solaranlagen (Südfassade, Süd- und Norddach) ermöglichen ein ausgeglichenes Produktionsprofil übers Jahr. Zusammen mit dem Strombedarf der Wärmepumpen ist damit ein hoher Eigenverbrauch und somit eine hohe Wirtschaftlichkeit zu erwarten. Überschüssiger Solarstrom wird an die gemeindeeigenen Gebäude auf den Nachbarparzellen abgegeben.
Tragwerk und Konstruktion
Das Tragwerk der KITA besteht aus einem massiven Sockelgeschoss, das im geneigten Terrain den Hangdruck aufnimmt und einer darauf stehenden zweigeschossigen Holzkonstruktion. Das Haus ist so platziert, dass nach Abbruch des bestehenden Gebäudes ein grosser Teil der Baugrube bereits besteht. Die Holzkonstruktion besteht aus Wandelementen in Rahmenbauweise mit verdeckter Diagonalschalung und Decke/Dach als Balkenlagen. Drei Unterzüge in Nord-Süd-Richtung unterteilen die Decke, und sinngemäss das Dach, in Felder, die gut mit Vollholzbalken überspannt werden können. Ihr Anschluss an die Unterzüge erfolgt brandschutzgerecht mit metallfreien Schwalbenschwänzen. Die horizontale Aussteifung erfolgt über die zug- und druckfest untereinander verbundenen Fassadenelemente. Das grosszügig ausladende Vordach entsteht auf einfache Art durch Herausführen der Balken, die in der Dämmebene des Dachs liegen. Angesichts des leichten Holzbaus genügt eine Flachfundation mit Bodenplatte. Durch die grossflächige Verwendung von Vollholz und dem gezielten Einsatz von Leimholz da, wo es nicht anders möglich ist, entsteht eine ressourcenschonende Bauweise, die auf unspektakuläre Weise ihre Aufgabe erfüllt und zu einer angenehmen Raumstimmung beiträgt.
Kita Mörschwil
Wettbewerb 2023
ArchitektInnen:
Aita Flury Architektur GmbH
Met Architektur GmbH
Ingenieure:
Conzett Bronzini Partner AG
Haus Khuner Payerbach
Adolf Loos 1930