Bestand
Gestalt und Ausdruck
Der historische Löwenbau ist ein stattliches Gebäude das mächtig und freundlich zugleich wirkt. Dieser Ausdruck steht in direktem Zusammenhang zu den zahlreichen singulären Elementen (Erker, Turm, unterschiedliche Fenster), welche die einzelnen Fassaden prägen und diese hierarchisieren. Zudem reagiert auch die Abwicklung des Gebäudes selbst auf die unterschiedlichen Seiten: Bleibt das Gebäude zur Eisenbahnstrasse hin bis auf die leicht vorgerückte Mitte auf einerFlucht ist die Hofseite durch mehrfache Stufung der Gebäudeflucht und durch den vorspringenden Turm charakterisiert. Der ursprünglich den First überragenden Turm hat durch seine Kürzung an Vertikalität verloren und wirkt in seiner heutigen Höhe etwas kraftlos. Für die Gebäudegestalt wesentlich ist zudem das kräftige Dach, das als mächtige zweigeschossige Haube in Erscheinung tritt und sich durch seine Höhenversprünge und Schleppgauben sowohl in der vertikalen als auch in der Horizontalen mit seinem Umraum verzahnt.
Grundrisse
Die bereits 1934 von Brauereiräumen zu Wohnen/Büro umformatierten Grundrisse - der heutige Bestand - zeigt pragmatisch organisierte Zellenstrukturen, die von der Befensterung bestimmt und pro Wohnung jeweils von einem Mittelkorridor erschlossen sind. Die heutigen Grössen der Wohnungen und Büroeinheiten resultieren aus ihrer Lage zwischen den Treppenhäusern, nur wenige weisen zudem einen Balkon auf.
Material-und Farbkonzept
Der alte Löwenbau zeigt in seiner originalen Farbgestaltung einen hellen Baukörper mit stark konturierten Fenstergewänden aus rotem Sandstein. Auf dem hellen, wohlgeordneten Baukörper sitzt eine dunkle Dachhaube.
Auf einer historischen Fotografie aus dem Jahre 1934 ist zudem noch die Fenstersprosseneinteilung im Erdgeschoss zur Eisenbanstrasse hin ersichtlich. Man erkennt bei den grossen Öffnungen eine kleinteilige Einteilung mit unterschiedlichen Formaten.
Beim oberen Tor (Schaffhausertor), dem Eingang zur Altstadt/Kaiserstrasse, ist das Konzept im Umgang mit dem roten Sandstein als Einfassung von Fenstern, Eckbetonungen und dergleichen, hellen Putzflächen und einer dunklen Dachhaube heute noch in Farbe zu erkennen. Auch das obere Tor zeigt zudem singuläre Elemente wie den Glockenturm in einem dunklen rotbraun, sienarot.
Das neue Projekt
Gestalt und Ausdruck
Die Hauptfassade zur Eisenbahnstrasse hin sowie die Seitenfassaden bleiben unverändert. Für die Hoffassade hingegen wird der Umbau zum MFH mit Kleinwohnungen als Chance verstanden, dieser zu neuer Kraft und Ausdruck zu verhelfen. Mit Ausnahme des Dachgeschosses werden alle neu an den Hof angrenzenden Wohnungen mit einem Balkon von brauchbarer Tiefe und Breite ausgestattet. Die Breite orientiert sich dabei an der maximalen bestehenden Befensterungsbreite im 1.OG, die Tiefe wird auf der Grundlage einer harmonischen und gut brauchbaren Gesamtfläche heraus entwickelt. Es entstehen so orthogonal zur Fassade gestellte Balkontürme, die als regelhafte, sich wiederholende Elemente die Fassade unter Einbezug der gestutzten Vertikale des Turms neu gliedern, diese mit dem Hofraum verzahnen. Die Balkontürme sind aus konstruktiv-räumlichen Überlegungen heraus entwickelt: Zwecks einer möglichst einfachen Lastabtragung werden sie vor die Fassade gestellt. Die drei pro Turm notwendigen Stahlstützen werden so platziert, dass sie im EG auf einen Stützpunkt zusammengeführt werden können, was einerseits funktional clever ist (Zugänglichkeiten!) andererseits aber auch die Identität der neuen Bauteile prägt: Die sich im Erdgeschoss aufspreizende Tragstruktur fügt sich in die Reihe der bereits vorhandenen architektonisch-expressiven Elemente selbstverständlich ein. Baldachinähnliche Elemente (Metall oder Textil) säumen die Balkontürme geschossweise und fassen die neuen Aussenräume zimmerähnlich. Insgesamt dienen alle angewendeten Mittel dazu eine heitere, luftige und gleichsam räumlich gefasste Stimmung zu etablieren, die die Hoffassade optisch zugänglich macht.
Grundrisse
Die neuen Kleinwohnungen sind um einen leicht aus der Hausmitte geschobenen Korriodor organisiert, der auf den Bestand reagiert: Die im Zuge des Umbaus von 1934 zugemauerten Stützen der grossen Gewerberäume werden freigeschält und stehen gestalthaft im neuen Erschliessungsraum: sie künden im öffentlichen Raum von der vergangenen gewerblichen Nutzung.
Material-/Farbkonzept
Das neue Farb- und Materialkonzept gründet auf den Beobachtungen aus dem originalen Zustand und anderen Gebäuden aus dieser Zeit: Die Putzflächen des Baukörpers werden in einem hellen, warmweissen Farbton gehalten, der angenehm mit den roten Sandsteingewänden der wohlgeordneten Befensterungen kontrastiert. Die neuen Holzfenster als auch die neuen Stahl-Tragkonstruktionen der Balkontürme werden in einem warmen rotbraun gehalten. Einerseits referiert diese Farbe auf die heute vorgefundene Farbe bei Stahlteilen (z.B. Geländer). Bei den Holzfenstern zielt dieselbe dunkelrote Farbe darauf ab ein sich mit dem roten Sandstein (als auch den anderen grauen (Beton)gewänden) verbindendes Moment zu schaffen das sich gleichzeitig mit der Farbe des dunklen Glases optisch verwebt: Hintergrund dafür sind die – durch die innere Wärmedämmung – neu breiter in Erscheinung tretenden Fensterprofile bei gleichbleibenden Fensteröffnungsformaten. Die farbliche Massnahme entschärft diese Problematik.
Die Balkontürme werden als Stahlkonstruktion hergestellt und vor die Fassade gestellt. Das Zickzackblech der Balkonturmhauben als auch die Primärstrukturen der Geländer von Balkonen und französischen Fenstern sowie andere allfällige Bauteile wie Leuchten oder Vorhänge werden in auffrischenden Farben wie lindengrün oder einem hellen taubenblau gehalten. Diese kontrastieren die Schwere und Erdverbundenheit der rotbraunen Farbe und verfeinern die Farbigkeit insgesamt. Sie vermitteln zudem zu den orangen Dachziegeln, bei denen es sich wohl um eine farbliche Abweichung vom Originalzustand handelt (dunkelbraune Ziegel); eine Tatsache die durch den Erhalt des Dachkleids geschaffen ist und mit welcher farblich/materiell auch ein Umgang gefunden werden muss.
Löwenbau Waldshut
Bauprojekt 2023
ArchitektInnen:
Aita Flury Architektur GmbH
Ingenieure:
Kempen Krause Ingenieure
Historisches Foto Löwenbau Waldshut
1906