Städtebau
Der aktuelle Wettbewerbsperimeter ist nicht vergleichbar mit den zurzeit projektierten Bebauungen ‚Schwamendinger Dreick’ und ‚Altwiesen-/Dübendorferstrasse’: Die Grundstücksfläche von rund 6500m2 ist bedeutend kleiner und zeigt keine besondere oder periphere Lage, vielmehr liegt der kleinmassstäbliche Perimeter mitten im Gartenstadtteppich drin. Die städtebauliche Setzung des neuen Projekts verfolgt deshalb primär die Einordnung in den Bestand und die Verzahnung mit dem Kontext. Wichtige Prämisse ist zudem der Erhalt des ‚grünen Korridors‘ mit dem wunderbaren Baumbestand entlang der südlichen Parzellengrenze.
Zwei längere und eine kürzere Ost-West orientierte Zeilenbauten werden mit einer rechteckigen (fast quadratischen) Schulnutzungsbaute im Westen der Parzelle kombiniert: Letztere reagiert auf die Baukörper der Schulhausanlage und bindet diese damit räumlich selbstverständlich an. Im Schwarzplan erscheint das neue Projekt derart in den Bestand integriert, dass ein zweiter Blick notwendig ist, um die Neubauten auszumachen. Die Bauten sind so platziert, dass die räumliche Transparenz, die Entwicklung in die Tiefe über die Nachbarsparzellen hinweg gewahrt ist, und die für das Gebiet typische Balance zwischen den die Mehrheit bildenden, gleichgerichteten Zeilenbauten und einzelnen, orthogonal dazu gestellten Bauten gewahrt bleibt.
In seiner Höhenentwicklung sucht das Projekt nach Möglichkeiten den Inselurbanismus, der durch die massiven Mehrhöhen zu den angrenzenden Bebauungen prädisponiert ist, zu drosseln, ohne auf die Entwicklung einer eigenständigen Identität und eines zeitgemässen Ausdrucks zu verzichten. Um die Bebauungsstruktur zu beruhigen (genügende Anzahl gleicher Teile, um eine Serie erkennbar werden zu lassen) werden alle Wohnzeilen auf sechs Geschosse einnivelliert. Gleichwohl reagieren die zwei längeren Zeilen durch ihr südliches, auf vier Geschosse abgestuftes Joch auf ihre Nachbarbebauung, was sie mit der kürzeren, mittleren Zeile volumetrisch zusammenbindet. Die zwei obersten Geschosse aller drei Wohnzeilen zeigen zudem (leicht) eingerückte Ostfassaden. Zusammen mit dem Materialwechsel ab dem 4. OG wird so ein Horizont gebildet, der zu der niedrigeren Nachbarbebauung vermittelt. Alle Massnahmen dienen dazu die Wohnzeilen mit ihrem Umraum in angemessenem Masse zu verzahnen.
Das im Westen platzierte Schulnutzungsgebäude wird als zweigeschossiges ‚Werkstattgebäude’ interpretiert: In seiner Ausdehnung und Höhenentwicklung reagiert es auf die Schulanlage Luchswiesen. Währenddem es in seiner horizontalen Abwicklung ruhig bleibt, verzahnt es sich durch sein Sheddach und durch den überhöhten Kopfteil der Aula im Nordwesten mit dem Himmel.
Aussenraum
Die bestehenden Aussenräume zeigen sich als fliessende, wenig determinierte und funktional wenig differenzierte Grünräume mit Einzelbäumen. Das Aussenraumkonzept folgt der vorgefundenen Logik der Gartenstadt: Die Haupterschliessung der drei Wohnzeilen erfolgt wie bereits heute über die östliche Zubringerstrasse (mit integrierten PPs) und der dazu parallellen, grosszügigen Vorzone, an welcher die Häuser stehen. Von hier aus sind einerseits die Veloräume direkt erschlossen und wird andererseits der Eintritt in die zwischen den Zeilen liegenden Grünräume ermöglicht, von wo aus der Zugang zum jeweiligen Treppenhaus erfolgt.
Im EG werden die öffentlichen Nutzungen im Norden der Häuser platziert, während die Atelier - Wohnungen das südliche Ende der Zeilen belegen. Diesen Erdgeschosswohnungen ist dabei zweiseitig ein kleiner, privater Bereich zugesprochen, über welchen diese auch von zwei Seiten her direkt betreten werden können.
Das Wegnetz zwischen den Wohnzeilen ist so geführt, dass sämtliche Treppenhäuser der Wohnzeilen von zwei Seiten her betreten werden können. Auf einen Aussenraum-Durchang im EG der Zeilen wurde bewusst verzichtet, da letztere relativ kurz sind. Kreisende Bewegungen können im Aussenraum aber gerade auch über den neuen, entlang der südlichen Parzellengrenze gelegten Fussweg, der neu die Luchswiesenstrasse mit dem Luchsweg verbindet, erfahren werden. Das vorliegende Wegkonzept zeigt damit eine grosse Erschliessungsvarianz ohne dabei eine klare Adressbildung zu verpassen. Gleichzeitig gibt es genügend multifunktional nutzbare Grünflächen zwischen den Gebäuden.
Die Erschliessung des Schulnutzungsgebäudes erfolgt vierseitig, wobei der Haupteingang und die Adresse für die Betreuungs- und Versorgungsräume im 1.OG entlang der zum Vorplatz aufgeweiteten Vorzone der Zubringerstrasse erfolgt: Hier wird durch die grössere Mergelbelagfläche ein der grossen Schülerzahl adäquater Vorplatz mit Aufenthaltsqualität ausgebildet. Die im EG platzierten Kindergartennutzungen sind von den restlichen drei Seiten her erreichbar. Ihre Zugänge sind integraler Bestandteil des privaten und differenziert ausgestalteten Aussenraumes, welcher den Kindergarten im Osten, Süden und Westen umgibt.
Hitzeminderung/Biodiversität/Fassaden-/Dachbegrünung
Die Gebäude sind parallel zur Strömungsrichtung angeordnet, sodass der kalte Luftstrom vom Zürichberg nicht gestoppt wird. Der zu weiten Teilen erhaltene Baumbestand (wichtiger Lebensraum vieler Tiere) und die neuen Bäume (z.B. Eichen, hitzetolerante Stadtbäume wie Spitzahorn oder robuste Feldahornbäume beim Schotterrasen) leisten durch ihre Verdunstungskühlung und Beschattung einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der bioklimatischen Situation am Tag. Die Grünflächen werden klimaökologisch gestaltet, indem die Ränder offen angelegt werden. Wo immer möglich werden versickerungsfähige Beläge mit hohem Albedo Wert angelegt, ein flaches Wasserspiel für die Kinder zeigt zudem eine kühlende Wirkung. Die Freiräume werden struktur- und artenreich mit überwiegend einheimischen Pflanzen gestaltet, um eine möglichst grosse Biodiversität zu erlangen.
Die Begrünung der fünf Fassaden reagiert auf die Ausrichtungen, Nutzungen und die lokale Biodiversität. In den Süd-West Fassaden sind ‚grüne Steigzonen’ in die Balkonstruktur eingelassen. Bodengebunden und an Kletterhilfen, erklimmen diverse einheimische Kletterpflanzen (z.B. Waldreben, wilde Reben, Geissblatt) die Zwischenräume zwischen den Balkonplatten bis ins 4.OG. Auf der fünften Fassade, den Dächern der Wohnhäuser, sind Begrünung, Solaranlagen und Haustechnik aufeinander abgestimmt. Unter den hoch geständerten Solaranlagen bietet sich ein vielseitiger Lebensraum für die Kleinsttierwelt.
Garden Loft City
Im Codewort Garden Loft City steht der Begriff Loft sinnbildlich für alle Gebäude und Freiräume, die die Qualität von Stabilität und gleichzeitiger Offenheit in sich tragen. Die Gebäude bieten dabei einerseits einen stabilen Rahmen als Basis für eine Dauerhaftigkeit währenddem sie sich gleichzeitig neuen Elementen öffnen. Der Begriff Loft steht insofern für adaptierbare, flexible und gleichzeitig kräftige Räume mit Identität; er subsummiert urbane Qualitäten, die über das einzelne Gebäude hinaus auch auf den städtischen Kontext insgesamt angewendet werden können. Die architektonisch kräftige Sprache kombiniert mit der durch die Konstruktionsweise etablierten Nutzungsflexibilität schafft eine charaktervolle Atmosphäre, die gleichzeitig äusserst aneigenbar, interpretierbar ist. Diese Strategie vermag zudem die beiden unterschiedlichen Nutzungen von Wohnen und Kiga/Betreuung zusammen zu binden, indem diese in einen wahrnehmbaren, konstruktiv-materiellen Zusammenhang stehen. Insgesamt führt die etablierte Stimmung zu einem hohen Identifikationswert für die Bewohner*innen, Kinder.
Wohnungen
Vom EG bis ins 5. OG folgen die Wohnungen einer klassischen, durchgesteckten Wohntypologie, die demokratische Verhältnisse schafft: jede Wohnung, so klein sie auch ist, profitiert von Morgen- und Abendsonne, jede Wohnung hat den Blick in den Grünraum und die zahlreichen Ecksituationen führen zu vielen dreiseitig belichteten Wohnungen. Dies und die Minimierung der Erschliessungen wird durch eine Laubengangerschliessung auf der Ostseite möglich. Dabei sind möglichst wenig Schlafzimmer direkt am Laubengang angeordnet. Zudem baut die Laubengangfassade auf einem Verzahnungsprinzip auf: Der Laubengang wird im Bereich der Eingangstüren leicht aufgeweitet, sodass im Innern der Wohnung eine Nische ausgebildet wird, die mit verschiedenen Möbelelementen bestückt werden kann. So ist an dieser Stelle eine Tischplatte mit Schublade, ein Garderobenbrett mit Kleiderstange oder auch ein Sideboard denkbar. Diese Elemente bilden eine Filterschicht zum Laubengang und können als Module zur variablen, benutzerspezifischen Ausstattung der Wohnung angeboten werden.
Bei den grösseren Wohnungen ist jeweils ein Achsraster ein durchgesteckter Wohnraum, von welchem aus die anderen Räume erschlossen werden. Die Nasszellen befinden sich in der Mitte der Gebäudetiefe, die Steigzonen liegen übereinander. Die Zimmer sind entlang der Fassaden stets untereinander verbindbar und zeigen einen hohen Gebrauchswert.
Der komplexe Wohnungsspiegel mit lauter ungleichen Wohnungsgrössen, die stets um 5m2 Fläche voneinander variieren wird durch die gewählte Tragstruktur, die Ausreizung der Endstücke mit Erkern und/oder Zuschlag zum Innenraum im Bereich der Laubengangtiefe (Nordostecken) sowie zwei unterschiedlichen Gebäudetiefen sowohl im EG-3.OG als auch bei den zurückversetzten Geschossen im 4.OG + 5.OG auf elegante Weise realisiert. Gleichzeitig bleibt der Wohnungsspiegel auch adaptabel: Verschiedene Wohnungsgrössen sind durch die gewählte Struktur einfach und variantenreich möglich.
Nach Südwesten ist den Wohnzeilen eine gerüstartige Konstruktion vorgestellt, die einerseits gedeckte Balkone integriert, andererseits Platz schafft für eine geordnete, bodengebundene Begrünung (EG-3.OG) sowie Photovoltaikelemente integriert (4.OG-5.OG). Die grosszügigen, gedeckten Balkone mit ihrer partiell ausgedrehten Geometrie etablieren eine feinräumliche Verzahnung mit dem Aussenraum.
Schulnutzungen
Das ‚Werkstattgebäude‘ zeigt im EG die bodennahen Kindergarten - Nutzungen, im 1.OG das Betreuungsangebot. Die Kindergärten im EG profitieren von ihrem direkten, rundumlaufenden Aussenraum, die Atmosphäre des 1.OG ist geprägt von den Sheddach-Oberlichtern. Beide Geschosse zeigen durch ihre Struktur eine hohe Flexibilität in der Raumaufteilung.
Tragwerk/Konstruktion
Ökologische und ökonomische Aspekte werden in einer hybriden konstruktiven Logik intelligent umgesetzt: Die Tragwerke der Neubauten in Holz- und Betonbauweise werden mit Fassaden aus recycelten Backsteinen (Reuse) und Holzelementfüllungen kombiniert. Der differenzierte Materialeinsatz akzentuiert sowohl die architektonisch-räumliche als auch die strukturell-konstruktive Bedeutung der einzelnen Gebäudeteile. Durch das differenzierte Ineinandergreifen von Konstruktion und Statik resultieren zeitlose und damit nachhaltige Hybridbauten, deren Flexibilität sich verändernden Bedürfnissen gerecht werden kann.
Die Wohnhäuser wie auch der Schulnutzungsbau weisen über Terrain eine skelettartige Tragkonstruktion mit schubsteifen Brettsperrholzdecken und vorfabrizierten Betonunterzügen auf, die in Abstimmung auf ein ideales Wohnungsraster in einem regelmässigen Abstand von 3.6 m angeordnet sind. Die regelmässigen Spannweiten im Innern und der hohe Grad an Wiederholung der Bauteile (Module) spricht für eine sehr ökonomische, industrielle Bauweise. Neben den Vorteilen der höheren Masse für klimatechnische Speicher-, akustische Schall- und mechanische Schwingeigenschaften spricht die Bevorzugung der vorgefertigten Brettsperrholzelemente mit einer schubsteifen Kopplung für die statische Deckenscheibenwirkung. Diese nimmt die Horizontallasten aus Wind- und Erdbebeneinwirkungen auf und leitet sie über den Erschliessungskern und die Aussenwände in den UG-Kasten ab. Die vertikale Lastabtragung erfolgt über vorfabrizierte Betonstützen (alternativ auch in Baubuche oder Fichte denkbar), sodass die Wände grundsätzlich selbsttragend ausgebildet werden können. Nur der Liftschacht, die Treppenhauswände sowie einzelne Nasszellenwände werden über die gesamte Gebäudehöhe betoniert und können so zur horizontalen Aussteifung verwendet werden. Die Kombination aus Holz- und Betonelementen stellt eine ökologisch optimierte, ressourcenschonende Konstruktion mit schlanken Bauteilabmessungen und geringem Eigengewicht dar. Die nötige Masse für den internen Schallschutz wird mit einer zusätzlichen losen Schüttung erreicht.
Beim Schulnutzungsbau ist das Dach aus shedförmig aufgeständerten Holzelementen mit integrierter Dämmung konstruiert. Die Formstabilität wird durch Zugstangen in der Ebene der Unterzüge sichergestellt.
Die aussenliegenden Balkonschichten der Wohnhäuser sind selbsttragend und nur über Zuganker mit der inneren Konstruktion verbunden, wodurch Wärmebrücken minimiert werden. In den rückspringenden Bereichen der beiden obersten Geschosse werden die Lasten einfach über partiell verdickte Unterzüge abgefangen. Unter Terrain besteht die Tragkonstruktion aus Gründen der Robustheit und Wasserdichtigkeit durchwegs aus Ortbeton, Recyclingbeton mit CO2-Anreicherung und CO2-reduziertem Zement. Aufgrund der kompakten Grundrisse mit gleichmässiger Lastabtragung sind voraussichtlich trotz des relativ ungünstigen Baugrundes Flachfundation mit durchgehender Bodenplatte und lokalen Vertiefungen unter den Stützen möglich.
Luchswiesenstrasse Zürich
Wettbewerb 2022
Architektin:
Aita Flury
Ingenieure:
Schnetzer Puskas Ingenieure AG
Biodiversität + Photovoltaik:
Amstein + Walthert AG
Publikationen:
Tec 21 14/2023, S.16
Künstlerkolonie Wiedikon Zürich
Ernst Gisel 1953