Ausgangslage
Die heutige Schulanlage von Untervaz ist geprägt von einem Ensemble aus grösseren, wuchtigen Baukörpern, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen: 4 Gebäude - ein H-Typ, ein I-Typ, ein Viertelkreistyp und ein Rechtecktyp - beherbergen Primarschule, Oberstufe sowie eine Turn- und Mehrzweckhalle und bilden durch ihre Stellung zueinander Hof-, Platz- und Gassenraum aus. Das heutige Kindergartengebäude im hangabwärtsliegenden Nordosten der Parzelle steht von diesem Ensemble losgelöst und bildet einen entfernten, isolierten Auftakt zur eigentlichen Schulanlage. Das heutige Kindergartengebäude aus dem Jahre 1938 ist eine 3-geschossige Punktbaute mit kleinem Fussabdruck, die als Zeitzeuge durchaus atmosphärischen Charme hat. Fakt ist aber gleichzeitig, dass sich das Gebäude - auch nach tiefgreifenden Überlegungen- tatsächlich wenig kompatibel zum geforderten Raumprogramm zeigt. Zudem wären massive Sanierungsmassnahmen notwendig, um es technisch und energetisch auf heutige Standards zu ertüchtigen.
Städtebau
„Die Schule ist ein offener, selbstbewusster Ort. Er soll weder die Architektur der Bauern- und Bürgerhäuser noch die Formvorlieben der Einfamilienhäuser aufnehmen.“ Dieses credo, dem die eigenständigen Schulgebäude von Robert Obrist folgen, die Teil des Schulensembles sind, wird zum Ausgangspunkt für den Entwurf der neuen Kindergartenanlage.
Der gründlich abgewogene Entscheid für den Abbruch des bestehenden Kindergartengebäudes bietet die Chance einer freien und kräftigen Setzung, die über den zur Disposition stehenden Perimeter hinaus räumlich neu ordnet: Ein neues, selbstbewusstes 2-3 gechossiges Volumen wird orthogonal zum Hangverlauf, parallel zum Laurenziusweg gesetzt, von wo aus die unterschiedlichen Nutzungen über 3 Eingänge erschlossen werden. Das längliche Gebäude wirkt zum Laurenziusweg hin raumbildend und wird - wie das heutige Kindergartengebäude - als Auftakt/Schlussstein der Schulanlage wahrgenommen. In seiner mittelgrossen Ausdehnung/Höhe reagiert es auf die Körnigkeit der kleinen EFHs der Umgebung und vermittelt gleichzeitig zu den wuchtigen Baukörpern der Schulhausanlage. Der Baukörper ist bewusst mehrgeschossig entwickelt, da unter heutigen Bedingungen (Landverbrauch/energetische Aspekte) eingeschossige Baukörper anachronistisch sind. Die Kompaktheit der Setzung und der damit einhergehende Erhalt eines grösstmöglichen Freiraums bietet zudem eine zukünftige Baureserve an (entlang der südlichen Grenze des Perimeters).
Der bislang im Eingangsbereich der Mehrzweckanlage undefinierte Laurenziusweg wird durch die westliche 3-geschossige Stirnfassade des Kindergartengebäudes neu gefasst: es entsteht eine Art Vorplatz, der mit Bäumen räumlich akzentuiert wird und als Scharnier-Aussenraum zwischen bestehendem Schulensemble und neuem Kindergartengebäude funktioniert. Südlich dockt zudem der neue Sportplatz daran an. Die neuen Aussenbereiche Vorplatz, Sportplatz, öffentlicher Spielplatz (im Süden) und Parkplatz (Bestand im Osten) stehen in patchworkartiger Beziehung zum neuen Kiga-Gebäude/Kiga-Aussenraum. Parkplatz, Spielplatz und Vorplatz sind über eine schmale Gasse verbunden, die dem Geländeverlauf folgt und von welcher aus das neue Kindergartenhaus über seinen Aussenraum auch direkt von Süden erschlossen wird. Trotz des äusserst grosszügigen, privaten Aussenraums des Kindergartens wird der bearbeitete Perimeter insgesamt für die Öffentlichkeit/das Quartier durchlässiger und überzeugt durch eine räumlich komponierte Abfolge von Bewegungs- und Aufenthaltsräumen am Hang.
Das in der Horizontalen fein ein- und ausschwingende Volumen wird in der Vertikalen gestaffelt, sodass die einzelnen Gebäudeabschnitte ideal ins Terrain eingepasst sind: Das Grundriss/Schnitt Layout des 2-geschossigen Gebäudes mit seinem 3-geschossigen Kopfteil ist direkt aus der leicht steigenden Topografie und dem Programm mit den verschiedenen Zugängen heraus abgeleitet. Die Hauptzugänge sind auf den Laurenziusweg ausgerichtet, das Gebäude ist aber ebenso auch über den südlich vorgelagerten Aussenraum erschlossen (vgl. oben).
Aussenraum
Als Pendant zum länglichen Hauptgebäude entlang des Laurenziusweges wird entlang der südlichen Perimetergrenze eine Nebengebäudeschicht aus Gartenhäusern/Pergolas etabliert. Zusammen definieren die beiden Baukörper einen grosszügigen, auf 3 Geländeniveaus terrassierten Aussenraum mit einer für die Nutzung optimalen Ausrichtung nach Süden/Südosten.
Die innere Aneinanderreihung der Kiga-Einheiten spiegelt sich im Aussenaum wieder: Allen drei Einheiten (jeweils zwei Kigas EG und 1.OG bilden eine Einheit) ist ein separat zugänglicher Aussenbereich zugeteilt, der sämtliche Elemente der vielfältigen Spiellandschaft in unterschiedlicher Ausgestaltung enthält. Individualisiert wird jeder Garten von bestimmten einzelnen Elementen wie Wasserstellen, Sonnensegel, Weidenhäuser, Feuerstellen etc.. Locker verteilte Nutzbäume wie Apfel, Nuss oder Quitte vermitteln das Bild eines Obstgartens. Kornelkirsche, Feldahorn und Hainbuchenhecken entlang der Stützmauern ergänzen die Bepflanzung und privatisieren die einzelnen Terrassen. Die aus den Gartenhäusern heraus entwickelten Pergolas werden mit Kletterpflanzen begrünt (Hopfen etc.).
Das neue Kindergartenhaus
Das neue Kindergartenhaus ist ein längsrechteckiger Bau, der orthogonal zum Hang sitzt. Der Grundriss basiert auf einem additiven System von jeweils 3 Kiga-Einheiten à 2 Klassen (3 x EG und 3 x 1.OG), die über einzelne, jeweils die ganze Haustiefe besetzende Treppenhäuser erschlossen werden. Die Treppenhäuser verspannen die Hauptzugänge vom Laurenziusweg mit den im Süden gelegenen privaten Aussenräumen der Kindergärten. Diese als auch die 3 Gebäudeeinheiten selber sind analog der sanften Hangneigung in ihrer Höhe um jeweils 75cm zueinander verschoben. Dieses Layout ermöglicht eine erfrischende Erschliessungsvarianz und garantiert vor allem auch für die Nutzungen im 1.OG einen sehr direkten Zugang zum Aussenraum.
Der im Programm geforderten Nutzungsflexibilität (Umwandelbarkeit Kita/Mittagstisch zu Kiga Einheiten) wird mit der Gleichschaltung der Grundrisse begegnet - das Programm wird in 6 analogen Einheiten organisiert. Einzig SHP-, Lehrer- und Besprechungszimmer werden an besonderer Lage, zuoberst im 3-geschossigen, westlichen Gebäudeende untergebracht.
Die inneren Einheiten sind kompakt und ganglos organisiert: Gruppenraum und Hauptraum sind direkt miteinander verbunden und besetzen zusammen die gesamte Gebäudetiefe. Die Spielnische ist seitlich am Hauptraum angedockt – ein Unterzug, der auf einer fetten Stütze aufliegt, schafft Trennung und Verbindung der beiden Räume zugleich. Die Spielnische mit ihrer Teeküche und dem runden Fenster, das den Blick in den zweigeschossigen Loggiaraum zeigt, sind identitätsstiftend.
Die zweigeschossigen Loggias und ihre zum Strassen- und Grünraum vorspringenden Vordächer, die auf expressiven Stützen aufliegen, prägen die Eingangssituationen und verzahnen Innen- und Aussenraum.
Ausdruck-Material
Der äussere Gebäudeausdruck ist geprägt vom silhouettenbildenden, gestuften Volumen und der fein schwingenden, horizontalen Abwicklung, die zusammen mit dem aus den Volumen hervorspringenden Loggiadächern und den Loggiainversionen das Gebäude mit seinem Umfeld verzahnt. Zwecks Gliederung der grossen Masse wird eine differenzierte Ausarbeitung der hölzernen Gebäudehülle thematisiert: Um das hauptsächlich zweigeschossige Gebäude zu vertikalisieren werden die übereinanderliegenden Haupträume mit ihren grossen Fenstern mit „Rahmenfeldern“ aus vertikalen und horizontalen Nut & Kamm Schalungen gefasst. Die geschlossenen Fassadenanteile werden aus der Kombination einer Stülpschalung mit grossformatigen Brettern und vertikalen Deckleisten entwickelt, die den Eindruck eines Verbunds aus rechteckigen Holzplatten suggeriert (vgl. japanischer Holzbau). Der textile Ausdruck der Holzverkleidungen wird durch die Fallarmmarkisen (Stoff) noch verstärkt. Die Fenstersprossen der grossformatigen Holzfenster dienen der Masstäblichkeit - die beschriebenen Massnahmen dienen insgesamt dazu das Gebäude sinnlich, greif- und begreifbar werden zu lassen.
Tragwerk Konstruktion
Der Neubau wird auf einer durchgehend betonierten Bodenplatte mit umlaufendem Frostriegel fundiert, wobei nur ein kleiner Bereich für Technik und Lagerräume unterkellert wird. Über Terrain folgt eine Holzbauweise, die einen grossen Vorfertigungsgrad zulässt. Für die Dachflächen kommen Elemente mit integrierter Wärmedämmung zum Einsatz, während die Geschossdecken für einen optimalen Schallschutz als Verbundkonstruktion mit überbetonierten Brettstapelplatten konzipiert sind. Die vertikale Lastabtragung und horizontale Stabilisierung erfolgt über schubsteif beplankte Ständerwände, mit integrierter Wärmedämmung im Fassadenbereich. Zwischen dem Hauptraum und den Nebenräumen ist jeweils ein Unterzug aus Brettschichtholz mit einer Zwischenabstützung angeordnet. Dank dreier geometrisch weitgehend identischer Gebäudeabschnitte ist die nötige Repetition für eine wirtschaftliche Realisierung gegeben.
Kiga + TB Untervaz
Wettbewerb 2021
Architektin:
Aita Flury
Ingenieure:
Schnetzer Puskas Ingenieure AG
Ökumenisches Kirchen- und Gemeindezentrum Steinhausen
Ernst Gisel 1978-1981