Innbrücke Vulpera Trais Spierts
Die neue Brücke wird mit ihren Dimensionen zum markantesten Strassenbauwerk im Talabschnitt südwestlich von Scuol. Die Eingriffstiefe in die Landschaft steht dabei in einem starken Gegensatz zur untergeordneten Funktion der Brücke. Der Entwurf sucht deshalb nach einer Konzeption der Brücke, die in Angemessenheit und formaler Zurückhaltung auf diese Ambivalenz reagiert. Das vorliegende Konzept versteht den Brückenträger als ‚balkenartiges’ Element mit nach oben scharf zeichnender Begrenzung. Wie es schon Adolf Loos formuliert hat ‚In den Bergen sollst Du flach bauen’, strebt das Bauwerk danach, im Kontrast zum stark bewegten Horizont der Bergketten beim Gebauten einen flächigen, präzisen und beruhigten Abschluss nach oben zu finden. So wird auf die Fahrbahn übersteigende Elemente verzichtet. Morphologisch zeigen sich die einzelnen Brückenteile grundsätzlich als sanft geschwungene, auf rigorose Ausschlagskurven verzichtende, lineare Bauteile. Die Brücke hebt sich als gebautes Artefakt deutlich von der Schroffheit der Bergspitzen ab; sie sucht in ihrer Feinmaschigkeit den Bezug zum Flussraum mit dem sanft modulierten Baumkörper des Waldes und gleichzeitig, über das ihr eingeschriebene Taktmass, ein angemessenes Verhältnis zum menschlichen Massstab.
Systemwahl
Vor dem Hintergrund der grossen Höhe der Brücke, der schlecht zugänglichen, steilen Talflanken und der schwierigen Fundationsverhältnisse sieht das Konzept einen im Freivorbau erstellten Voutenträger aus Spannbeton vor. Damit kann auf aufwendige Zwischenabstützungen für ein Lehrgerüst verzichtet werden. Die vorangehenden Überlegungen zur Funktion der Brücke und ihrer Einpassung in die Umgebung sprechen gegen eine Bogenbrücke oder eine Schrägseilbrücke, die ebenfalls im Freivorbau erstellt werden könnten. Um die Anzahl der aufwendigen Fundationen aufs Minimum zu beschränken, wäre ein Brückenkonzept mit nur zwei Pfeilern ideal. Dabei verlieren aber die Pfeiler durch ihre weit auseinander liegenden Standorte und die sehr unterschiedlichen Höhen jeden Bezug zueinander.
Das Projekt TRAIS SPIERTS sieht deshalb einen Vierfeldträger mit drei Pfeilern vor. Für die Wahl der Spannweiteneinteilung sind vor allem die Fundationsverhältnisse und die Zugänglichkeit für den Bau der Pfeiler entscheidend. Der Brückenabschnitt mit der verbreiterten Fahrbahn für die Einmündung in die Engadinerstrasse ist für den Freivorbau nicht geeignet und wird deshalb auf einem konventionellen Lehrgerüst mit einer provisorischen Abstützung bei der alten Engadinerstrasse erstellt.
Einpassung in die Umgebung
Die gewählte Anordnung der Pfeiler teilt den Raum unterhalb des Brückenträgers in vier auf einander bezogene Abschnittseinheiten ein. Die einzelnen Abschnitte weisen dabei immer noch liegende Proportionen auf; die gewählten Spannweiten erlauben aber eine Positionierung der Pfeiler an denjenigen Standorten, wo die Pfeiler grösstmögliche Höhen aufweisen. Durch die Positionierung der Pfeiler in der Nähe des Flussbettes können diese in einen Dialog miteinander treten und erinnern an die Stellung der Pfeiler der flussabwärts liegenden Guerlaina Brücke. Der gepresste Hohlkörper des Brückenträgers und das Taktmass der hohen Pfeiler treiben die Brücke gleichzeitig optisch in die Höhe. Die Brücke zeigt somit einen eigentlichen ‚Höhentrieb’ und wird vom Flussraum als aufstrebendes Bauwerk wahrgenommen, welches die von der Situation vorgegebene Höhe der Fahrbahn noch übersteigert.
Durch die homogene Materialisierung der Brücke in Sichtbeton wird die ‚stille’ Erscheinung unterstrichen.
Beleuchtung
In die Aussenflächen der Leitmauern wird ein Lichtband eingebaut. Die Horizontalität des oberen Brückenabschlusses wird somit noch einmal betont und auch in der Dunkelheit inszeniert
Innbrücke Vulpera
Wettbewerb
Vulpera 2006
Ingenieure:
Ernst Basler & Partner
Architektin:
Aita Flury
Guerlainabrücke über den Inn
Scuol